Montag, 28. August 2017

Krummes Jubiläum

Vor zehn Jahren begann die kapitalistische Finanzkrise


Es ist der Vormittag des 9. August 2007, ein Donnerstag. In den Räumen der Schweizer Nationalbank berät das Direktorium die aktuelle Geldpolitik. Es klopfte sehr heftig an der Tür, berichtet zwei Jahre später ihr Präsident Jean-Pierre Roth. Der Chef der Marktabteilung trat ein und sprach atemlos von nach oben schießenden Sätzen, großer Nervosität und einem Bedarf der Banken nach Liquidität. »Geben!« wies Roth seinen Chefhändler an. Und der stellte daraufhin umgehend den Geschäftsbanken kurzfristigen Kredit in unbegrenzter Höhe zur Verfügung. 
 
Bei der Bundesbank in Deutschland geschah ähnliches. Nur dass sie die Geldmarktoperationen mit den anderen Notenbanken und der Europäischen Zentralbank (EZB) abstimmen musste. Die EZB veranstaltete noch am selben Tag eine ihrer Auktionen, wobei die Geschäftsbanken des Euro-Raums sich Kredit nach Bedarf leihen konnten. 95 Milliarden Euro habe sie auf diesem Weg den Banken zusätzlich zur Verfügung gestellt, berichtete die EZB.
 

Dieser 9. August vor zehn Jahren markiert den Beginn der großen Finanzkrise. Angst auf breiter Front breitete sich aus, Angst, aber noch keine Panik. Zuerst in der Euro-Zone, in London und in der Schweiz. Ein paar Stunden später auch in den USA. Die Krise war von Anfang an eine weltweite.


Der Geldmarkt unter den Finanzinstituten, der im Zentrum des Geld- und Kapitalverkehrs steht, hörte auf zu funktionieren. Hier leihen sich und verleihen die Geschäftsbanken kurzfristig und ohne Sicherheit Geld mit Laufzeiten von einem Tag bis zu zwei Jahren. Die Zinssätze sind niedrig und immer ganz nah an den sogenannten Leitzinsen, mit denen die Notenbanken die Banken mit Geld versorgen. Zwar sind die Zinsen und Zinsdifferenzen gering, dafür aber die Beträge riesig. Jeden Tag geht der Saldo der Zahlungen, den eine Bank abwickelt, durch diesen Markt.

Und damit hörten die Banken am 9. August 2007 also auf. Die Geldhändler hatten Angst davor, dass sie das Geld nicht mehr wiedersehen würden, wenn die Partnerbank in der Zwischenzeit pleite gegangen ­wäre. Es war eine berechtigte Angst. Die Banker wussten, welchen Schrott – meist Hypothekenkredite der »Subprime«-Qualität – das eigene Institut in den Büchern hatte. Wenn nur fünf Prozent der Ausleihungen faul werden, kann bei den niedrigen Eigenkapitalquoten schnell die ganze Bank futsch sein. Soweit war es an diesem Tag noch nicht. Aber ohne die Hilfe der Zentralbanken wäre der große Krach unverzüglich eingetreten.

 

 

Gesetze des kollektiven Wahnsinns

 

Das Auf und Ab der Spekulation, Boom und Bust, war schon vielfach Untersuchungsgegenstand der Ökonomen. Die Klassiker von Adam Smith über David Ricardo und Karl Marx bis John Maynard Keynes konnten sich nicht genug über die Anfälle kollektiven Wahnsinns in kapitalistischen Gesellschaften wundern. In jüngerer Zeit hat Charles Kindleberger eine Komplettbeschreibung spekulativer Krisen vorgelegt (Charles P. Kindleberger: Manien, Paniken, Crashs. Die Geschichte der Finanzkrisen der Welt, Kulmbach 2001). 

Er begnügt sich dabei nicht damit, das Zustandekommen von Spekulationsblasen zu erklären, sondern legt eine komplette Blaupause für den Ablauf von spekulativen Finanzexzessen und Krisen in entwickelten kapitalistischen Gesellschaften vor. »Vorbild« dabei sind vor allem der Boom der 1920er Jahre, der Crash an der New Yorker Börse von 1929 und die sich daran anschließende Depression der Weltwirtschaft.

Eine Spekulationswelle erfolgt meist nicht ohne konkreten Grund. Als mittlerweile schon fast klassisches Beispiel fällt einem die rasante Verbreitung der Computertechnik und des Internets in den 1990er Jahren ein, die den Anstoß für die Exzesse des Aktienmarktes bis zum Jahr 2000 bot. Die realen oder bloß vermuteten Gewinnmöglichkeiten locken im zweiten Schritt mehr Geld an, die Banken vergeben mehr Kredit. Drittens führen die tatsächlich im neuen Sektor entstandenen Gewinne die Masse der Spekulanten aus der Reserve. 

Die eigentliche spekulative Phase beginnt. Es wird gekauft, um teurer zu verkaufen. Die Verschuldung steigt, um an den sicheren Profitmöglichkeiten noch besser teilnehmen zu können. Viertens springt die Spekulation in andere Märkte und fünftens in andere Länder über. Sechstens dann bricht der Markt aus welchem Anlass auch immer zusammen.
Auch im Absturz gibt es sich selbst verstärkende Mechanismen. Mit dem Preisverfall (der Wertpapiere) schrumpft der Wert der Sicherheiten für die vergebenen Kredite. 

Die Banken verlangen Rückzahlung oder vergeben zumindest keine neuen Kredite mehr. Unternehmen und Privatpersonen müssen noch mehr Wertpapiere verkaufen. Andere Unternehmen geraten ohne Zugang zu frischem Geld in Schwierigkeiten, sie können ihre Schulden nicht mehr bedienen. Die Banken sitzen damit auf faulen Krediten, die Kundschaft zieht misstrauisch die Einlagen ab. Bankpleiten drohen. Die Kreditvergabe wird noch restriktiver usw. usf. Ganz so lief es 2007 ab.
 
 

 

Suboptimales Objekt der Begierde

 

Was war im vorliegenden Fall das »reale« Objekt der Spekulanten? Die Antwort erscheint zunächst einfach. Die globalen Finanzspieler scheinen sich an der trivialen und wenig aufregenden Finanzierung von Ein- oder Zweifamilienhäusern in der US-amerikanischen Provinz verhoben zu haben. Faul gewordene kleine Hypothekenkredite brachten große und kleine Banken und Fonds in Schwierigkeiten. Tatsächlich hieß diese Finanzkrise, als sie im Herbst 2007 noch einigermaßen jung war, zunächst »Subprime-Hypotheken-Krise«. Der etwas sperrige Ausdruck bezieht sich auf die in den USA schlecht verdienenden, nicht zahlungsfähigen Schuldnern en masse gewährten Hypotheken. Der Ausdruck »subprime« ist ein Euphemismus. Er entspricht ziemlich exakt dem deutschen Wort suboptimal, bedeutet aber eigentlich miserabel schlecht.

Niemals hätten die faul gewordenen Kredite an schlecht verdienende US-amerikanische Eigenheimbesitzer Banken in aller Welt in Bedrängnis gebracht, wenn die Finanzbranche nicht innovative Wege zum Weiterverkauf der Kredite gefunden hätte. Banken wie die deutsche IKB oder die Sachsen LB gehörten zu den ersten Opfern der Krise, weil sie sich auf verschlungenen Wegen am Hypothekengeschäft der US-amerikanischen Branche beteiligt hatten. Eine Besonderheit dieser Spekulationskrise ist demnach die in den letzten Jahren entwickelte Technik, Kredite oder überhaupt jede Art von Schulden zu verpacken und in aller Welt zu verkaufen. 

Banker nennen diese Technik »Verbriefung«. Aus einem individualrechtlichen Schuldkontrakt, wie es zum Beispiel eine Hypothek ist, wird ein handelbares Wertpapier. Auch das ist nicht eigentlich neu. Der früher bekannte Wechsel oder der alte deutsche Pfandbrief sind Beispiele für dieselbe Sache. Neu war allerdings, dass solche Verbriefung so massenhaft geschah und dass aus einfachen Schuldkontrakten komplizierte Mischkonstruktionen gemacht wurden. Am Ende war nicht mehr festzustellen, welchen Wert die Produkte noch darstellten. Die Verbriefung oder die Neuverpackung von Krediten hat das gewaltige Ausmaß des Spekulationsbooms erst ermöglicht und sorgte im Abschwung dafür, dass die Gläubiger von den Wertverlusten und deren Höhe überrascht wurden.


Eine weitere Besonderheit dieser Spekulationswelle erklärt sich daraus, dass die USA noch immer das wichtigste Land der Weltwirtschaft sind. Die Schulden ganz gewöhnlicher US-amerikanischer Haushalte, vor allem deren Hypotheken, aber auch die Kreditkarten- und Ratenkreditschulden, wurden zum begehrten Anlageobjekt des weltweiten Geldkapitals. Die Verschuldung der US-Haushalte erwies sich als ergiebige Anlagekategorie, weil sie außergewöhnlich lange zugelassen, ja von der Wirtschaftspolitik aktiv gefördert wurde. 

Niedrige Zinsen der US-Notenbank ließen die Belastung auch ärmerer Haushalte durch hohe Schulden tragbar erscheinen. Zudem stiegen die Preise für die Wohnhäuser, die damit höher beliehen werden konnten. Der schuldenfinanzierte höhere Konsum der US-Haushalte schlug sich in höherer Gesamtnachfrage, in einer relativ munter laufenden Konjunktur, vor allem aber in einem kräftig steigenden Außenhandelsdefizit nieder. Die hohe Verschuldung der US-Privathaushalte wurde also durch die Kapitalzufuhr aus dem Ausland bezahlt. Die Finanzspekulation war somit vielfach verzahnt mit den internationalen Kapitalströmen.
 
 
 

Typische Ãœberproduktionskrise

 

Nicht wenige Linke und sogar nicht wenige, die sich Marxisten nennen, vertreten die Ansicht, zur Erklärung der 2007 begonnenen Finanz- und globalen Wirtschaftskrise seien ganz besondere theoretische Anstrengungen erforderlich. Tatsächlich scheint aber die Erklärung dieser großen Krise, mit der wir es immer noch zu tun haben, die leichteste Übung zu sein. Erklärt werden muss weniger, wie und warum es zu einer solch erheblichen Störung des kapitalistischen Wirkungszusammenhangs kommen konnte, sondern viel eher, weshalb diese große Krise so lange auf sich hat warten lassen.

Denn auch diese Krise ist eine stinknormale, für den Kapitalismus übliche Ãœberproduktionskrise. Sie ist Resultat des Grundwiderspruchs zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung, der für den Kapitalismus typisch ist. Dieser Widerspruch drückt sich im Regelfall in kapitalistischen Konjunkturkrisen aus. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass das ungebändigte Wachstum von Kapital und Waren nicht auf genügend kaufkräftige Nachfrage trifft. Die private Aneignung des Mehrprodukts durch die Kapitalisten lässt den gesellschaftlichen Produzenten nicht genügend »Wert = Geld«, um die munter produzierten Waren zu kaufen. Kapitalistische Krisen sind also Absatz- oder Realisierungskrisen.

Viel spricht dafür, dass es sich bei der aktuellen Finanz- und Weltwirtschaftskrise nicht nur um eine der einigermaßen regelmäßigen Konjunkturkrisen oder Rezessionen handelt. Denn zum einen erfasst diese Krise den ganzen Globus. Zum anderen hat sie in den imperialistischen Hauptländern Europas, in Nordamerika und in Japan den stärksten Einbruch von Produktion und Bruttosozialprodukt seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgerufen. Es handelt sich also um eine außergewöhnlich tiefe Krise. Sie beeinträchtigt zudem in ganz besonderer Weise das führende imperialistische Land, die USA, und gefährdet dessen Vorherrschaft. Schließlich dauert diese Krise mit bisher zehn Jahren außergewöhnlich lang.

Sie ist damit historisch vergleichbar mit der großen Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, die 1929 ebenfalls mit einem Finanzcrash begann, und mit der schwerwiegenden Krise der 1970er Jahre, die auch durch eine tiefe Rezession gekennzeichnet war, alle kapitalistischen Länder erfasste und die Phase fester Wechselkurse sowie die Prosperitätsperiode der Nachkriegszeit beendete. Die aktuelle Krise dürfte in diesem Sinne für die Weltwirtschaft ebenfalls einen Umbruch bedeuten. Sie beendet diejenige Phase des wirtschaftspolitischen Regimes, das wir uns als »neoliberal« zu bezeichnen angewöhnt haben. 

Anders ausgedrückt, macht diese Krise deutlich, dass dieses Regime nicht mehr funktioniert. Wenn man den Neoliberalismus seinem eigenen Programm gemäß als Modell begreift, das die Profitrate im jeweils eigenen imperialistischen Lager auf direktem Wege über die Steigerung der Mehrwert- oder Ausbeutungsrate, also durch ganz gemeinen Lohndruck, zu erhöhen versucht, müsste der oben skizzierte Widerspruch zwischen hohen Profiten und hohen Investitionen einerseits und zurückbleibenden Lohneinkommen andererseits die typische Überproduktionskrise noch schneller als ohnehin zum Ausbruch bringen.

Das aber ist lange nicht geschehen. Ein wichtiger Grund besteht darin, dass das neoliberale Regime einen enorm aufgeblähten Finanzsektor entwickelte, der die Profitmassen absorbierte, von der gemeinen Mehrwertproduktion scheinbar unabhängige Profitquellen erschloss und zugleich nicht nur die Verschuldung der Kapitalisten und des Staates, sondern auch vorübergehend die Kaufkraft der Lohnabhängigen erhöhte und so die eigentlich fällige Überproduktionskrise verzögerte.

Die überproportionale Ausweitung des Finanzsektors ist ein wesentliches Kennzeichen des Neoliberalismus. Es ist deshalb nicht falsch, wenn man von dieser Periode, die mit der Krise der 1970er Jahre des vorigen Jahrhunderts einsetzte und deren Ende von der aktuellen Krise eingeläutet wird, als von einem »finanzmarktgetriebenen« Kapitalismus spricht. Der Finanzsektor spielt in diesem System in vielfacher Hinsicht eine wichtige Rolle. Er ist Resultat wie Hebel einer sich beschleunigenden Umverteilung des erarbeiteten Reichtums von unten nach oben.

Mit der Aufblähung des Finanzsektors konnte das neoliberale Regime über viele Jahre hinweg die eigentlich fällige Überproduktionskrise überspielen. Das ist auch der Grund, warum die Finanzkrise zum Auslöser der Weltwirtschaftskrise wurde. In dem Moment, als die Finanzblase platzte, trat die Überproduktion zutage, sackte die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern ab, reduzierte damit die Produktion von Waren und ließ die Arbeitslosigkeit steil nach oben klettern. Diese reale Wirtschaftskrise setzte in den USA bereits Ende 2007 ein, in Europa erst im Sommer 2008.

Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers Ende September 2008 drohten die Finanz- und Zahlungssysteme weltweit zu kollabieren. Die Regierungen der zentralkapitalistischen Länder setzten in dieser Situation buchstäblich Hunderte von Milliarden Dollar oder auch Euro ein, um die Banken vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Zur Stützung der Nachfrage schleusten sie außerdem fast ähnlich hohe Beträge in die Realwirtschaft. Beide Maßnahmen waren erfolgreich. 

Die Mehrzahl der Banken blieb zahlungsfähig. Die Konjunktur rutschte nicht tiefer in die Rezession, sondern erholte sich ab 2009. Der übergroße Finanzsektor blieb erhalten. Aber trotz aller Bemühungen vor allem der Notenbanken, die Spekula­tion wieder in Gang zu bekommen, gelang es nicht, Wachstum erneut zu beschleunigen. Resultat ist angesichts der unverändert verfolgten neoliberalen Wirtschaftspolitik bis heute bestenfalls ein kümmerliches Wachstum, eher aber Stagnation.
 

Anhaltender Zustand

 

Die Krise zieht sich mit dem heutigen 9. August nun schon ins elfte Jahr. Das Wort scheint für eine so lange Periode unpassend. Es stellt sich die Frage, ob wir es nicht vielmehr mit einem Dauerzustand zu tun haben, in dem sich die Wirkungsweise des seit den 1970er Jahren praktizierten Neoliberalismus unverändert fortsetzt, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Die Realität, die Ökonomie des Alltags spricht für die Kontinuitätsthese. Ein Organismus, der unverändert krank ist, befindet sich dem gemeinen Sprachverständnis nach nicht in der Krise. Vielmehr würden Ärzte von einem chronischen Leiden sprechen.

Davon, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem Ende des Neoliberalismus geführt hat, kann keine Rede sein. Im Gegenteil, die für den Neoliberalismus typischen staatlichen Eingriffe zur Niederhaltung der Arbeitslöhne haben mit den Knebelungsverträgen innerhalb des Euro-Gebiets eine neue, intensivere Qualität erreicht. Selbst die Dominanz des Finanzsektors in der Globalökonomie scheint ungebrochen. Ihr typisches Gebrechen, zur Befeuerung der Nachfrage und Akkumulation auf einen großen und expandierenden Finanzsektor angewiesen zu sein, tritt noch deutlicher hervor als vor Ausbruch der Krise. Darin besteht denn auch der kleine, aber entscheidende Unterschied. Der Befeuerungsmechanismus funktioniert nicht mehr.

Deshalb ist es sinnvoll, erstens von einer Fortdauer der großen Weltwirtschaftskrise bis heute (und vermutlich noch einige Jahre mehr) zu sprechen. Zweitens ist nach wie vor richtig, dass diese Krise ohne einen Bruch mit dem neoliberalen ökonomischen Regime nicht lösbar ist. Dabei kommt dem Finanzsektor immer noch die entscheidende Rolle zu. Ohne seine Dominanz zu brechen, ohne ihn drastisch zu verkleinern, wird ein Ausweg aus der Krise nicht möglich sein.

Lucas Zeise, Finanzjournalist und Publizist, 
früher Financial Times Deutschland, jetzt junge Welt und Unsere Zeit 
 
Quelle: junge Welt, 9. August 2017


Chronik
9. August 2007: Der Interbankenmarkt friert ein. Die EZB pumpt an diesem Tag 95 Milliarden Euro zusätzlich in das Bankensystem, in den kommenden Wochen noch weitaus mehr. Die Zentralbanken der USA, Japans und kleinerer kapitalistischer Länder handeln ähnlich.

13. August 2007: Die New Yorker Investmentbank Goldman Sachs pumpt drei Milliarden Dollar in einen eigenen Hedgefonds, um ihn vor dem Kollaps zu bewahren.

14. September 2007: In England gibt es einen »Bank run« auf die Hypothekenbank Northern Rock. Sie wird Opfer der ausgetrockneten Interbankenmärkte. Es ist der größte Bank run in Großbritannien seit mehr als hundert Jahren.

17. Februar 2008: Northern Rock wird verstaatlicht.

22. März 2008: Die New Yorker Investmentbank Bear Stearns wird vor dem Kollaps gerettet, indem die US-Bank J. P. Morgan sie zusammen mit einer Garantie der US-Notenbank von 30 Milliarden Dollar übernimmt.

1. April 2008: Die größte Schweizer Bank UBS, die zugleich die größte Vermögensverwaltung der Welt darstellt, schreibt 19 Milliarden Schweizer Franken an faulen Hypothekenpapieren ab.

7. September 2008: Die US-Regierung garantiert die Zahlungsfähigkeit von Fannie Mae und ­Freddie Mac, zwei riesigen Hypothekenfinanzierern. Ohne diese Garantie wäre der Weltfinanzmarkt zusammengebrochen.

13./14. September 2008: Die New Yorker Investmentbank Lehman Brothers ist gefährdet. Die US-Notenbank will anders als bei Bear Stearns keine Finanzhilfe zur Verfügung stellen. Die britische Bank »Barclays« und die Bank of America gelten als potentielle Käufer. Beide ziehen sich jedoch zurück. Die Verhandlungen scheitern. Bank of America kauft statt dessen die New Yorker Investmentbank Merrill Lynch.

15. September 2008: Lehman erklärt Insolvenz. Es ist der größte Bankrott in der Geschichte der USA.

17. September 2008: Die US-Notenbank stützt die damals größte Versicherungsgesellschaft der Welt AIG mit zunächst 85 Milliarden Dollar und übernimmt sie zu 80 Prozent.

2. Oktober 2008: Die US-Regierung verabschiedet nach zähem Ringen den 700-Milliarden-Dollar-Plan »Troubled Asset Relief Program« (TARP), um den Finanzsektor zu retten.

8. Oktober 2008: Sieben Zentralbanken senken in einer gemeinsamen Aktion ihre Leitzinsen.

13. Oktober 2008: Die britische Regierung übernimmt 58 Prozent der Royal Bank of Scotland.

13. Oktober 2008: Die europäischen Regierungen stellen rund 1.000 Milliarden Euro für die ­Finanzbranche zur Verfügung.

9. November 2008: China beschließt ein Konjunkturprogramm: Über zwei Jahre will die Regierung 586 Milliarden Dollar in die Infrastruktur und in soziale Projekte investieren.

15. November 2008: Zum ersten Mal trifft sich die »G 20« auf der Ebene der Regierungschefs in Washington und beschließt einen Aktionsplan für eine Neuordnung der globalen Finanzmärkte.

1 Kommentar:

  1. Ein paar Fragen bleiben da für jemanden wie mich, dessen Wirtschaftswissen sich auf dem Stand eines Mittelschülers der 70er befindet schon noch offen:
    wie geht es logisch zu, dass eine "stinknormale, für den Kapitalismus übliche Überproduktionskrise" dann letztlich doch keine ist, sondern ein sich perpetuierender Zustand? Gibt es da nicht ein paar Wellen- oder Zyklenmodelle, die das ganze Auf-und-Ab besser erklären würden?
    Inwiefern verdient eine Stagnation der WENAO-Volkswirtschaften und das Scheitern ihrer neoliberalistischen Wirtschaftspolitik per se den Titel einer "großen Weltwirtschaftskrise"? - Vielleicht kommt ja der Kapitalismus als solcher auch ohne beides noch ein Weilchen ganz gut klar! Und vielleicht ist ja die Furcht, dass es so sein könnte, auch der Grund, dass sich in EU und USA selbst Leute, die es besser wissen müßten, sich plötzlich so inbrünstig am Traum von der eigenen Identität festklammern und so eifrig in Richtung Weiter-wie-bisher votieren? - Le Pen und Macron läßt grüßen!
    Kurzum: ich erkenne zwar die gute Absicht, befürchte aber, genausowenig wie eine Schwalbe einen Frühling macht, macht ein bisserl "soherum" und ein bisserl "andersrum" in Summa schon einen g'scheiten HistoMat.

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